Die Geschichte von Krankenhagen

 

 Die vor- und frühgeschichtlichen Wurzeln von Krankenhagen

Ein vorgeschichtliches Ur-Krankenhagen ist archäologisch nicht nachweisbar. Die Summe der Einzelfunde macht jedoch Aussagen über die frühen Menschen möglich. Für eine frühe Agrargesellschaft besaß diese Landschaft zwischen Weser und dem lippischen Bergland natürliche Vorzüge. Wasserführende Bäche, eine waldreiche Vegetation sowie das vorhandensein von Materialien zur Werkzeug und Geräteherstellung waren vorhanden. Ein zusätzlicher Anreiz zur Siedlung mag für die frühen Menschen die Nähe der Weser gewesen sein; denn der Fluss bot einerseits hochwertige Nahrungsmittel (Fische) und diente andererseits schon in frühesten Zeiten als Handels-und Verkehrsweg, was der Fund eines steinzeitlichen Einbaumes weiter flussabwärts anschaulich dokumentiert. Die Weser hat in den Jahrtausenden nach der letzten Vereisung mehrfach ihr Flussbett gewechselt. Es ist zu vermuten, dass sie lange Zeit in weit geringerer Entfernung als heute an Krankenhagen vorbeifloss. Die steinzeitlichen Funde, die in der Krankenhäger Gemarkung entdeckt wurden, stammen in ihrer Mehrzahl aus der Jungsteinzeit. Bei einigen dieser Einzelfunde bleibt aber unklar, ob sie nicht einer früheren Epoche zuzurechnen sind und als Hinterlassenschaften von Jägern und Sammlern angesehen werden müssen. Man kann davon ausgehen, dass Jäger und Sammler, die eigentlich der Mittelsteinzeit zuzuordnen sind, noch lange Zeit neben den ersten sesshaften Ackerbauern gelebt haben. Der Übergang zur bäuerlichen Wirschaftsweise vollzog sich zu Beginn der Jungsteinzeit (4000 – 2000 v. Chr.) Bei der Suche nach Nahrung ersetzt die Produktion von Nahrungsmitteln durch Ackerbau und Viehhaltung allmählich die Jagd und das Sammeln von Früchten und Wurzeln. Die Folge davon war die Notwendigkeit einer sesshaften Lebensweise in festen Häusern und Siedlungen.

Wichtige Zeugen der Bronzezeit sind im allgemeinen die sichtbaren Grabhügel, von denen vor 60 Jahren in der Umgebung des Dorfes noch Dutzende vorhanden gewesen sein sollen. Gerade noch acht Grabhügel liegen nicht weit von Krankenhagen entfernt im Schutze des Möllenbecker Waldes, wo sie vor der Zerstörung durch die Landwirtschaft sicher sind. Zwei der wichtigsten, großflächigen archäologischen Fund-bzw. Grabungskomplexe sind der Knickbrink und der nach Osten daran anschließende Sportplatzbereich auf dem Nottberg. Das Fundspektrum gerade dieses Platzes macht deutlich, dass Menschen auf diesem Hügel oder in seiner unmittelbaren Umgebung sporadisch oder über einen längeren Zeitraum von Beginn der Jungsteinzeit bis weit in die Eisenzeit gelebt haben und ihrem Nahrungserwerb nachgegangen sind. Die hier gefundene Keramik weist nicht nur auf Grabstellen, sondern auch auf einen Siedlungsplatz hin, ohne dass dieser aber genau zu lokalisieren wäre. Durch den Sandabbau an dieser Stelle ist in der Vergangenheit die Oberfläche stark verändert bzw. zerstört worden, sodass Siedlungsreste nicht mehr auffindbar sind. Eine Reihe von Randscherben sog. Trichterbecher scheint der Beweis für eine jungneolithische Besiedlung zu sein. Es wird sogar vermutet, dass es im Bereich des Nottberges ein für die Trichterbecherkultur typisches Megalithgrab gegeben hat. Deutlich jünger dagegen sind die Scherben von geschweiften Bechern der späten Einzelgrabkultur und von sog. Glockenbechern; beide gehören in die Übergangsphase zur frühen Bronzezeit. Spektakulärer als die Einzelfunde war die Entdeckung eines Urnenfriedhofes auf dem Knickbrink, dessen Belegung hauptsächlich in die vorrömische Eisenzeit fällt. Die Entdeckung ist einer SA – Einheit zu verdanken, die 1938 an dieser Stelle einen „Thingplatz“ zur Abhaltung von Sonnenwendfeiern und Fahnenappellen anlegen wollte. Bei den planmäßigen Grabungen, die durch den damaligen Bodendenkmalpfleger Paul Erdniß sowie vielen freiwilligen Helfern vorgenommen wurden, konnten Urnen bzw. Gefäßscherben in größerer Menge geborgen werden. Insgesamt wurden 42 Bestattungsplätze ergraben. Auch ein mit Holzkohle und Knochenresten angereicherter Verbrennungsplatz wurde entdeckt. 

 

Geographische Lage und frühe Siedlungen in Krankenhagen

 

Das Gebiet des Dorfes Krankenhagen erstreckt sich ca. 5 km südlich der Stadt Rinteln zwischen den nordwestlichen Ausläufern des Wennenkämper Sattels und dem großen Nottberg (136 m) am nördlichen Ausgang des Extertales. Die Streusiedlungen, aus denen das spätere Krankenhagen hervorgegangen ist, gehörten um das Jahr 1000 zum Kirchspiel Exten und damit zum Distrikt Osterburg, der aus den Gerichtsbezirken Möllenbeck und Exten gebildet wurde. Im späten Mittelalter war das Gebiet des heutigen Ortsteiles Krankenhagen sehr dünn besiedelt. Es gab nur sehr wenige Hofstellen. Das Kloster Möllenbeck,  Adelige und Geistliche aus Rinteln hatten hier Grundbesitz. Dazu gehörten auch einzelne Höfe. Die Pächter dieser Höfe hatten dabei urkundlich festgelegte regelmäßige Abgaben an ihren Grundherren zu leisten. Im 15. Jahrhundert führten Fehden und witterungsbedingte Ernteausfälle nicht selter zur Verelendung der Bauern. Krankheiten und Seuchen, die für das 13. Und 14. Jahrhundert für diesen Raum belegt sind, waren ebenfalls oft Gründe für das Eingehen einer Hofstelle.

Vier urkundlich nachgewiesene Dörfer, die räumlich deutlich von einander getrennt waren, können als Wurzeln des heutigen Dorfes bezeichnet werden. Dabei handelt es sich im Südwesten um Heppentorpe, im Nordwesten um Tutenhusen, im Südosten um Horingen und im Nordosten um Uttorpe. Noch bis zu Ende des 19. Jahrhundert – in der Zwischenzeit kam Friedrichshöhe noch dazu – war diese Aufteilung erkennbar und machte den besonderen Charakter Krankenhagens als Streusiedlung deutlich.

 

Der Ortsname Krankenhagen

 

Der Name des alten Krankenhagen soll angeblich Hampenbruch gewesen sein. Die Diskussion um den Ortsnamen Krankenhagen nimmt in der Literatur einen breiten Raum ein. Als sicher gilt, dass es sich nicht um ein typisches Hagendorf handelt, dass eine einseitige Siedlungsstruktur entlang einer Straße oder eines Flusses aufweist. Auch eine Ableitung von dem Wort „krankeren“ im Sinne von klein, schmal oder gekrümmt ist wenig wahrscheinlich. Vermutlich liegen die Wurzeln des Ortsnamens in dem Familiennamen Krankenhagen. Im Güterverzeichnis des Klosters Möllenbeck wird im 14. Jahrhundert ein Hans Kranckenhaghen erwähnt, der in Verbindung mit einem Hof in Hatteln genannt wird. Zum 28.01 1360 findet man dort ebenfalls einen Eintrag, nachdem die Hälfte eines Hofes einem Evert Kranckenhaghen zugeschrieben wird. Wo dieser Hof genau gelegen hat ist nicht bekannt.

Als echter Ortsname wird Krankenhagen zum ersten Mal im Jahre 1516 erwähnt.

 

Die Korbflechter

 

Einen sehr hohen Stellenwert hatte in Krankenhagen bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die Korbflechterei. Zunächst diente sie dem Eigenbedarf an Körben und Reisigbesen. Am Ufer der Exter und der Weser konnten die notwendigen Weidenruten geerntet werden. Bei Beginn der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach entsprechenden Transportbehältern wie Glasballons und Korbflaschen für die heimische Glasindustrie in Rinteln, Obernkirchen und Minden sprunghaft an. Aber auch die Fischgroßhändler an der Nordsee suchten Körbe als geeignete Transportmittel. Die Eisenindustrie im Ruhrgebiet benötigte ebenfalls vor dem ersten Weltkrieg zum Transport von Kleineisenteilen Korbwaren für ihre Lieferungen. Dabei handelte es sich in der Regel um sogenannte Grünkorbarbeiten, bei denen auf ein schälen der Weidenruten verzichtet wurde, um danach eine besonders hohe Beanspruchung der Körbe zu gewährleisten. Probleme gab es im Winter und Frühjahr. Da man nur mit grünen Weiden Körbe flechten konnte, mussten die dann trockenen Ruten eingeweicht werden. Dazu hatte jeder Korbflechter einen Weidenteich. Diese waren aus Beton Beton, Eisenblech oder nur mit Steinen ausgelegte Wasserlöcher. Die trockenen Weiden verblieben ca. 8 – 10 Tage im Wasser des Weidenteichs, damit sie wieder biegsam und verarbeitungsfähig wurden. Nach dem heraussuchen der Weiden aus dem Weidenteich und dem anschließenden abtropfen wurden von dem Meister so viele Haufen mit groben und feinen Weiden hergerichtet wie seine Belegschaft benötigte. Die Haufen wurden dann den einzelnen Korbmachern zugelost. Dadurch  sollte erreicht werden, dass die Mitarbeiter zufrieden waren, .denn die Korbmacher wurden nach Stückzahl entlohnt. Für die Weiden, einen Korbmacherbock, Werkzeug und Sitzbank hatte der Meister zu sorgen. Gefrühstückt und Kaffee getrunken wurde in der Korbmacherbude. Zum Mittagessen gingen die Korbmacher meist nach Hause zu ihrer Familie. Die Arbeitszeit ging meist von 07:00 Uhr morgens bis 07:00 Uhr abends. Im Hochsommer auch noch länger. Der Meister hatte ein wachsames Auge darauf, dass alle Körbe den vorgegebenen Maßen entsprachen und das sie handwerklich einwandfrei hergestellt wurden. Während der Arbeit wurde in den Korbmacherbuden sehr häufig gesungen. Die Korbmacher haben auf diese Weise dazu beigetragen, das deutsche Volksliedergut zu erhalten und weiterzugeben. In den Orten Exten, Strücken, Uchtdorf und Krankenhagen waren bis zu 400 Arbeiter mit der Korbflechterei beschäftigt. Da die Korbflechterei kein Lehrberuf war, wurde die Technik des Flechtens in den Familien weitergegeben. Je nach Geschicklichkeit wurden 10 – 15 Körbe täglich hergestellt. Über Rinteln, später auch aus Krankenhagen mit der Extertalbahn wurden die Körbe an die Empfänger geliefert.

 

 

                                                                                                                                                    U. Patscher